Im Herbst 2009 erwarben wir aus einem Nachlass von einer Erbengemeinschaft ein großes Grundstück nebst Wohnhaus zwecks späterer Eigennutzung. Auf dem lang aber schmal geschnittenen Grundstück war Ende der 1950iger Jahre ein Einfamilienhaus erbaut worden, welches in den 1970iger Jahren zu einem Zweifamilienhaus erweitert wurde.
Nachdem der letzte Eigentümer verstorben war und unklare testamentarische Regelungen hinterließ, hatte das Haus seit etwa 5 Jahren keine regelmäßigen Bewohner mehr gesehen. Das konnten wir den Wohn- und Schlafräumen auch ansehem und insbesondere der Garten machte einen ziemlich verwilderten Eindruck. Direkt an der rückwärtigen Terrasse wuchs eine monumentale Trauerweide, die alles, einschließlich des nachbarlichen Zierteiches, unter sich begrub.
Da diese Weide sehr zur Freude der Nachbarschaft die Angewohnheit hatte, Laub und sonstiges Habseligkeiten zu verteilen, war es nicht verwunderlich, dass der Erstkontakt mit unserem Nachbarn sehr schnell die Trauerweide thematisierte. Genauer gesagt, es war die Frage, ob wir etwas dagegen hätten, wenn er, der Nachbar, den Baum fällen lassen würde. Diese spontan vorgetragene Frage ließ vermuten, dass die Weide in der Vergangenheit eine nicht unwesentlich Rolle in den nachbarlichen Beziehungen gespielt hatte. Jeder vernünftige Mensch hätte angesichts des Ungetüms sofort eingewilligt und so taten wir das auch. Bereits am nächsten Tag war der Baum gefällt und abtransportiert. Wer weiß, wie oft die “Fäll-Frage” in den Vergangenheit schon abschlägig beschieden worden war.
Die Grundsubstanz des Hauses war alt, aber bis auf eine statische Unzulänglichkeit am Westgiebel, durchaus in Ordnung. Die Erkenntnis, dass die straßenseitige Kellerwand aus Bruchsteinen und unverputzt an der Wand der damaligen Baugrube hochgemauert worden war, dämmerte uns erst später. Wenn man nicht in einem Neubaugebiet bei null anfangen möchte, sondern auf ein gewachsenes Wohngebiet setzt, dann muss man Kompromisse eingehen. Unser Kompromiss war, dass alles am Haus alt war, die Außenanlagen marode und das Grundstück verwildert. Viel Arbeit, verbunden mit zusätzlichen Kosten, aber auch reichliche Möglichkeiten für Eigenleistungen.
Der hinzugezogene Architekt schlug eine Sanierung nach den damals noch gültigen Regeln für ein KFW Energieeffizienzhaus 70 vor, die in den folgenden sechs Monaten der Reihe nach umgesetzt wurden.
- Freilegen des Kellergeschosses, Neuverlegung einer Drainage samt Pumpensumpf und Abdichtung des Keller-Gemäuers
- Entkernung des gesamten Hauses, Rückbau der beiden Balkone und diverser Trennwände
- Einbringung eines Ringankers an einer Giebelseite
- Austausch der gesamten Wasserversorgung
- Austausch des gesamten Heizungssystems
- Austausch der gesamten Elektrik
- Einbau eines neuen Badezimmers
- Austausch sämtlicher Fenster
- Austausch sämtlicher Türen
- Isolierung und Neueindeckung des Daches samt Dachfenster
- Installation einer Solarthermie für Warmwasser auf dem Dach
- Einbau einer Verrohrung für einen Kaminofen mit Dachanschluss
- Wärmedämmende Isolierung des gesamten Gebäudes
- Sanierung und Abdichtung der Garage
- Kompletter Innenausbau
- Putzarbeiten
- Trockenbau
- Deckeneinbau
- Tapezierarbeiten
- Malerarbeiten
- Fußboden legen
- Treppe sanieren
- Pflasterarbeiten für Einstallplatz und rund um das Haus und die Terrasse
- Pflasterarbeiten und Entwässerung der Zufahrt
- Erstellung einer Holzterrasse auf der Garage
- Gartengestaltung
Neben der besagten Trauerweide wurden noch schnell die beiden Eiben an der Straße gefällt und schon rückte der Bagger für die Tiefbauarbeiten an. Das Haus wurde an den Grundmauern freigelegt und für die Drainage ein Brunnenschacht unter der Terrasse ausgebaggert. Die eingangs erwähnten Kellerwände an der Straßenseite, also zum Hang hin, erwiesen sich als offenes Sichtmauerwerk aus Bruchsteinen von 1957, durchlässig für jegliche Feuchtigkeit. Behoben wurde das durch eine 15 cm starke Betonschürze an der Hangseite. Die übrigen Kellerwände hatten wohl einen Dichtungsanstrich in den 70ger Jahren erhalten. Anschließend sah das Grundstück rund um das Haus aus wie nach einem Bombenangriff im Lehmboden.
Für alle Arbeiten bis zum Innenausbau waren Fachfirmen und versierte Handwerker zuständig, die durch die straffe Organisation des Architekten ziemlich im Zeitplan lagen. Was niemand von uns auf der Agenda hatte, war der plötzliche und schneereiche Wintereinbruch 2009/2010, der die Dachdecker und die Handwerker, die für die Dämmung der Fassaden zuständig waren, so sehr in Verzug brachte, dass zum Einzugstermin am 1. April 2010, das Haus immer noch eingerüstet war.
Nachdem aber die Fenster rechtzeitig zum Wintereinbruch in Kunststoff mit Isolierverglasung getauscht waren, konnte der Innenausbau beginnen. Die Isolierverglasung machte ihrem Namen allerdings noch keine Ehre, weil es zwar eine Heizung gab, wegen fehlender Türen und vieler noch offener Fugen und Ritzen und grimmiger Außentemperaturen gab es keine wirklich wohlige Wärme. Warm arbeiten durch Eigenleistung war folglich angesagt.
Es begann mit dem Verputzen von Kabelkanälen, einzelnen Wandabschnitten, Rippenstreckmetall auf Eisenträgern und einiges an Trockenbau (z.B. Verkleidung und Isolierung der Kästen für die elektrischen Rollläden, Installationsschächte) sowie Flickarbeiten am Putz und am Estrich. Da wir in nahezu allen Zimmern auf ca. 140 qm die Deckenvertäfelung entfernt hatten, mussten nun neue Rigipsdecken auf nivellierte Unterkonstruktionen geschraubt werden. Im Obergeschoß wurde zuvor noch eine Folie als Dampfsperre eingezogen und verklebt. Ich erinnere mich an einen Samstag im Januar 2010, der um 5 Uhr morgens begann, gegen 21 Uhr mit 120 qm fertiger Rigips-Deckenfläche endete, und sieben erschöpfte aber zufriedene Familienmitglieder in den verdienten Feierabend entließ. Eine Herausforderung war auch die neue Decke und die Putzarbeiten im Treppenhaus.
Es folgten in Eigenarbeit das Tapezieren und Streichen der Decken, der Wände und die Verlegung des Laminat-Fußbodens im gesamten Haus. Beim Anbohren der Sockelleisten stießen wir auf extrem hartes Mauerwerk. In den 50iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde beim Bau eines Hauses notgedrungen gespart und beim Mauerwerk mitunter Fehlbrände als Ziegel vermauert. Die haben bekanntlich eine Struktur wie Glas, waren aber preiswert und sind eigentlich nur mit Diamantbohrern zu knacken.
Es wurden vom Tischler die Türen eingesetzt, die Beschläge montiert und die Küchenbauer kamen und installierten die Küche. Der Kaminofen, der schon seit Wochen in der Garage schlummerte, konnte nun mit vereinten Kräften an seinen Platz im Wohnzimmer geschleppt werden. Zum Glück waren einige Teile des Ofens separat zu transportieren.
Dann kam der Umzug, obwohl es außerhalb des Hauses immer noch wie nach einem Bombenangriff mit Baugerüst ausschaute.