Das Dach unserer Garage scheint nicht dicht zu sein. Immer wenn es geregnet hat, tropft es von der Decke. Nicht überall, aber in der Ecke, in der das Entwässerungsrohr für das Regenwasser aus der Betondecke führt, tropft es nach Regenwetter auf den Garagenboden. Zunächst schenkten wir dem keine große Beachtung, denn es handelte sich nur um Feuchtigkeit auf dem Estrich. Keine große Sache, denn bei Schmuddelwetter kommt mit dem Auto immer wieder auch Feuchtigkeit in die Garage. Das trocknet wieder.
Als es aber mehr wurde und die Herkunft als tropfendes Wasser von der Decke identifiziert ward, kamen wir doch ins Grübeln. Das Garagendach ist ein Gründach, dh. es ist mit Gras bewachsen. Ursprünglich waren es einmal spezielle Pflanzen für die Dachbegrünung, solche, die wenig Wasser benötigen und lange Trockenperioden überdauern können. Im Laufe der Zeit waren daraus aber profane Grasbüschel und allerlei weitere Kräuter geworden, die dort oben eigentlich nichts zu suchen hatten. Vielleicht hatte sich eine junge Birke durch die Dachhaut gebohrt?
Es wurde mehr mit dem Wasser vom Dach und wir entschieden: Das Dach wird abgeräumt. Leichter gesagt als getan. In 30 Jahren hatte sich auf dem Dach oberhalb der wasserspeichernden Granulatschicht eine Wurzelgeflecht gebildet, welches eine unlösbare Verbindung mit dem damals ausgebrachten Flies eingegangen war. Deshalb beauftragten wir eine Dachdecker, der die gesamte Pflanzendecke in mehr oder weniger in großen Stücken vom Dach holte und entsorgte. Ebenso das in den Wurzeln verhaftete Granulat.
Sichtbar wurde eine stabile Teichfolie, die in mehreren Bahnen geschweißt auf der Betondecke lag und an den Rändern unter der Kupferabdeckung auf Holzbalken verschraubt war. Der Wassereinlauf selbst schien dicht zu sein, aber es gab mehrere Löcher in der Folie, für die es keine plausible Erklärung gab. Durch diese Löcher konnte Wasser unter die Folie gelangen und an der tiefsten Stelle abtropfen. Das passierte dann am Regeneinlauf in der nördlichen Ecke.
Unser Dachdecker befand die Teichfolie für grundsätzlich funktionsfähig und empfahl, die Löcher mit Aufsatz Flicken und Folienkleber zu schließen. Das machten wir dann in eigener Regie.
Wir bestellten im Fachhandel 20 qm Noppenplatten aus Kunststoff für die Unterkonstruktion, Gewebefolien als Unterlage und als Wurzelsperre und 30 Säcke mit 50 Ltr. Granulat so wie 1 kg neuen Bewuchs. Mit unserem Einachshänger holten wir das Material aus einem Gewerbegebiet in der Nähe von Münster ab.
Jetzt war Handarbeit angesagt. Die Platten bildeten die Unterkonstruktion auf der Folie und waren für die Wasserhaltung in den eierbecher artigen Vertiefungen zuständig. Auf dem darüber gelegten Flies verteilten wir dann das Granulat, wohl gemerkt alles von Hand und per Leiter auf das Dach geschafft und dort verteilt. Zu guter Letzt streuten wir die neuen Pflanzen samt Dünger aus, die aus jungen, klein geschnittenen Austrieben bestanden.
Der Bewuchs entwickelte sich prächtig und es tropfte nicht mehr, die Garage war dicht. Toll.
Es regnete häufiger. Das Garagendach blieb dicht, bis wieder ein dunkler fleck auf dem Estrich auftauchte. Das durfte nicht sein. War das jetzt Restwasser, was noch unter der Folie auf dem Beton gestanden hatte und durch das Gewicht der Neubepflanzung zum Fallrohr gedrückt wurde. Oder hatten sich die Kunststoffprofile soweit mit Wasser gefüllt, dass es wieder eine undichte Stelle erreichen konnte.
Nach jedem Regen wurde das Tropfverhalten beobachtet. Wird es weniger? Tropft es schneller oder langsamer. Wieviel Tropfen pro Minute?
Nach einigen Wochen war klar, das Dach ist nicht dicht. Die Kalksandsteine des Mauerwerks verfärbten sich durch das Wasser dunkel. Es bildete sich ein schwarzer Belag, die ganze Ecke der Garage war einfach nur nass. Es musste etwas passieren.
Alles kam in Eigenarbeit wieder vom Dach. Die oberste Schicht mit den Pflanzen wurde auf einer Folie auf dem Rasen abgelegt. Das Granulat kam in große Baustellen-Bags und die Unterkonstruktion wurde aufgenommen und zur Seite gelegt. Alles von oben nach unter zu schaffen , war mithilfe eines 150mm Fallrohres einfacher als umgekehrt. Die Teichfolie brachten wir zum Awigo und die Kupferabdeckung brachte gutes Geld beim Schrotthandel.
Dann kamen die Dachdecker. Sie brachten zweilagige Bitumenschweißbahnen auf dem Garagendach an und eine umlaufende Dachkante aus Aluminium. Der Ablauf für das überschüssige Regenwasser wurde eingeschweißt und die Dachhaut nahtlos auf der Dachkante verklebt. Absolut dicht sei es jetzt, hieß es, ich bräuchte mit in meinem Leben keine Gedanken mehr deshalb zu machen. Bevor sich bei mit ein mulmiges Gefühl breit machen konnte, lächelte ich den gut gemeinten Hinweis einfach weg.
Unsere Arbeit begann, als die Dachdecker abgezogen waren, ihre Rechnung aber noch nicht im Briefkasten steckte. Die Unterkonstruktion und die Folien kamen wieder auf das Dach, per Leiter, versteht sich. Wie sollten wir die vielen Zentner Granulat, das nass und schwer in den Bags zwischenlagerte, wieder nach oben bekommen.
Wir konstruierten aus Kanthölzern und Spanngurten ein gut 4m hohes Gestell für einen Flaschenzug und beförderten das Material Eimer für Eimer nach oben. Nach knapp 5 Stunden war das erledigt, blöd war nur, dass es die ganze Zeit regnete. Deshalb gibt es von dieser Arbeitsphase auch keine Fotos. Wir waren katzen nass und stehend erledigt. Hätte uns unser lieber Nachbar, der das ganze Elend beobachten konnte, uns nicht mit einem steifen Grog die Richtung gewiesen, wir wären bestimmt dabei abgestorben.
So verteilten wir am Ende den jungfräulichen Pflanzenbewuchs mehr schlecht als recht wieder auf der Dachfläche und hofften, er möge erneut anwachsen. Das tat er dann auch und heute ist das Dach fachgerecht begrünt und vor allen Dingen, dicht. Erst viel später erfolgte die Renovierung der Garage.
Und die Moral von der Geschicht´, scheue keine Fachfirma nicht.